Transdisziplinäre Zusammenarbeit. Kreatives Handeln und die Transformation von Energiekulturen
- Vor dem Hintergrund forschungspolitischer Debatten um die Energiewende in Deutschland ist das Konzept der Transdisziplinarität zu einem einflussreichen Orientierungsrahmen avanciert. Im Gegensatz zu einem disziplinär Forschungsmodus wird hier ein partizipativer Ansatz verfolgt. Nicht nur Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen, sondern auch Praxispartner*innen aus mehr oder weniger professionalisierten Handlungsfeldern sowie engagierte Bürger*innen arbeiten in transdisziplinären Forschungsprojekten gemeinsam an der Produktion und Regulation Energiewissen. Das übergeordnete Ziel besteht darin, unterschiedliche Wertvorstellungen, Fakten, Interessen und Wissensformen zu integrieren, um eine sozial-ökologische Transformation von Energiekulturen zu befördern. Im Zentrum der vorliegenden Studie steht die Frage, wie Akteure mit unterschiedlichen fachlichen, institutionellen und professionellen Hintergründen in transdisziplinären Projekten der Energieforschung zusammenarbeiten und wie sie dabei gesellschaftliche Wissensrelationen aushandeln. Dafür wurden 25 Interviews mit Expert*innen aus dem Bereich der Energie- und Nachhaltigkeitsforschung geführt und aus der Perspektive der pragmatistisch-interaktionistischen Wissensforschung ausgewertet. Zum einen muss Arbeit für die Herstellung von Öffentlichkeiten geleistet werden, in denen verschiedene Wissenswelten für die gemeinsame Produktion von Energiewissen zusammen-kommen (Versammlungsarbeit). Dafür müssen u.a. Stakeholder ausgesucht und motiviert, Ressourcen mobilisiert und Beziehungen geknüpft werden. Eine zweite Form von Arbeit um-fasst Tätigkeiten innerhalb der transdisziplinären Öffentlichkeiten selbst und ist auf die wechselseitig abgestimmte Produktion von praxisrelevanter Expertise ausgerichtet (Übersetzungs-arbeit). Hier geht es beispielsweise darum, verschiedene Zeithorizonte zwischen Wissenswelten zu vermitteln, implizites Wissen zu verbalisieren oder übertragbare Produkte für eine Weiterverwendung im Anschluss an Projektlaufzeiten zu entwickeln. Und drittens ist auch die Entwicklung von spezifisch transdisziplinären Kompetenzen in Arbeitsprozesse eingebunden (Identitätsarbeit). Transdisziplinär Forschende sind hier mit der Herausforderung konfrontiert, wissenschaftliche Kompetenzen herauszubilden, die im Grenzbereich zwischen akademischen Ansprüchen und gesellschaftlichen Erwartungen stehen. Im Verlauf der Untersuchung hat sich gezeigt, dass Irritationen, Konflikte und Störungen ein konstitutiver Bestandteil in allen drei Formen der transdisziplinären Zusammenarbeit sind. Diese problematischen Handlungssituationen schränken die Zusammenarbeit allerdings nicht ein. Im Gegenteil: Ihnen kommt ein äußerst produktives Potenzial für die Aushandlung von Wissensrelationen zu. Denn hier können eingespielte Interaktionsmuster zwischen Wissenschaft und Gesellschaft auf die Probe gestellt und neu konfiguriert werden. Aus der praktischen Bewältigung von Handlungsproblemen ergeben sich Spielräume für kreatives Handeln und die wissenspolitische Gestaltung von sozial-ökologischen Transformationsprozessen.
Author: | Mirko Suhari |
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URN: | urn:nbn:de:bsz:1141-opus4-595 |
Referee: | Thomas Pfister, Anita Engels |
Document Type: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Year of Publication: | 2022 |
Date of first Publication: | 2022/10/27 |
Publishing Institution: | Zeppelin Universität |
Granting Institution: | Zeppelin Universität |
Date of final exam: | 2021/11/09 |
Release Date: | 2022/10/27 |
Tag: | Transdisziplinarität, Energiewende, Nachhaltigkeitsforschung, Wissenspolitik, Sozial-ökologische Transformation |
Page Number: | 190 Seiten |
Licence (German): | ![]() |